Stand 30.04.07 |
Daniel Goleman Soziale Intelligenz –
Wer auf andere zugehen kann, hat mehr vom Leben. Anhang A seines Buches: Verstand & Emotionen Der obere und untere Pfad „Der untere Pfad
arbeitet automatisch, außerhalb unseres Bewusstseins und mit großer
Geschwindigkeit. Der obere Pfad ergänzt
diese Prozesse durch willentliche Kontrolle; er ist mit Anstrengung und
bewusster Absicht verbunden und operiert mit geringerer Geschwindigkeit. Die Dichotomie (=Zweiteilung) zwischen
oben und unten, wie in diesem Buch verwandt, soll helfen eine für die
Beschreibung unseres Verhaltens sinnvolle Unterscheidung zu treffen, hat
jedoch den Nachteil dass sie die außerordentlich komplexen und vielfältig
verknüpften Schaltkreise zu vereinfach darstellt! … Diese umfangreichen
Systeme arbeiten parallel, wobei automatisiert und bewusst kontrollierte
Funktionen in unterschiedlichen Graden miteinander verknüpft sind. Wenn wir
zum Beispiel etwas lesen, dann entscheiden wir bewusst darüber, was wir
betrachten, und wir denken absichtlich über seine Bedeutungen nach. Das sind
Fertigkeiten des oberen Pfads. Zugleich stellen
zahlreiche automatische Mechanismen eine Vielzahl unterstützender Funktionen
bereit, die es uns unter anderem ermöglichen, bestimmte Muster zu erkennen
und Bedeutungen sowie Syntax zu entschlüsseln. Möglicherweise gibt es gar
keine Ausschließlich dem oberen Pfad vorbehaltenen mentalen Funktionen,
wogegen der untere zahllose eigene Mechanismen hat. Was hier als Dichotomie
von oberem versus unterem
Pfad beschrieben wird, stellt in Wirklichkeit ein Spektrum dar. Die Typologie von oben und
unten führt die beiden Gegensatzpaare kognitiv-affektiv und automatisch-kontrolliert zu einem einzigen Paar zusammen,
nämlich automatisch/affektiv versus
kontrolliert/kognitiv. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bleiben dabei hoch
adaptive, automatisch verlaufende kognitive Funktionen wie das Erkennen eines
Worts beim Lesen und absichtlich erzeugte Emotionen, wie sie Schauspieler
hervorbringen, außer Betracht.* Die automatischen
Prozesse des unteren Pfades sind offenbar der Standardmodus des Gehirns, der
unablässig in Betrieb ist. Der obere Pfad wird vor allem dann zugeschaltet,
wenn diese automatischen Prozesse unterbrochen werden, etwa durch ein
unerwartetes Ereignis, einen Fehler oder dann, wenn wir bewusst mit unseren
Gedanken ringen, wie etwa, wenn wir eine schwierige Entscheidung zu treffen haben.
Aus dieser Perspektive läuft ein Großteil unsres Gedankenstromes automatisch
ab, um Routineaufgaben zu bewältigen. Was wir überdenken, lernen oder
korrigieren müssen, bleibt hingegen dem oberen Pfad vorbehalten. Wenn wir uns
bewusst dazu entscheiden, kann der obere Pfad sich innerhalb bestimmter
Grenzen über den unteren hinwegsetzen. Es ist die Fähigkeit, die uns im Leben
eine Wahl lässt.“ *Einige Kognitionstheoretiker würden argumentieren,
dass zahlreiche emotionale Reaktionen eine Mischung aus Kognition und Affekt
einschließen, die beide in einem gewissen Grad automatisch und kontrolliert
sind. Auch damit werden komplexe Sachverhalte zu stark vereinfacht
dargestellt. Quelle: Daniel Goleman,
Soziale Intelligenz, Anhang A, S. 479, Droemer,
2006, ISBN 978-3-426-27318-0 |